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Ukraine-Krieg | Viele afrikanische Staaten halten zu Russland: Der Kalte Krieg hallt nach


Link [2022-04-08 09:13:55]



Algerien, Südafrika, Sudan, Mali: Die Sanktionen gegen Moskau finden auf dem afrikanischen Kontinent wenig Gefallen. Das hat unter anderem historische Gründe

Kurz nach Beginn des Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar trafen sich hochrangige russische Militärs in einer komfortablen Residenz bei Pretoria zum Cocktail-Empfang. Sie feierten den Tag der Verteidiger des Vaterlands. Gastgeber war Botschafter Ilja Rogatschew, zu seinen Gästen zählten Südafrikas Verteidigungsministerin Thandi Modise sowie der Armeechef des Landes, die nicht absagten wie die Diplomaten anderer Nationen. Dies war symptomatisch für viele afrikanische Führer und Regierungen, die Moskaus Invasion nicht ausdrücklich verurteilen.

Als die UN-Vollversammlung eine Resolution gegen den Einmarsch verabschiedete, sorgten 17 afrikanische Staaten für fast die Hälfte aller Enthaltungen. Unter den fünf Gegenstimmen war die Eritreas. Beobachter sprechen von einer neuen strategischen Spaltung Afrikas, ähnlich wie im Kalten Krieg. „Nur ist die objektive Realität des internationalen Systems jetzt eine andere, sodass Fragen zum Engagement einiger Länder und zu ihren Werten aufgeworfen werden“, meint Priyal Singh, Forscher am Institute for Security Studies in Pretoria.

Seit der Party des russischen Botschafters hat der regierende Afrikanische Nationalkongress (ANC) seine Weigerung, Russland anzuklagen, bekräftigt und erklärt, man wolle neutral bleiben und den Dialog fördern. Andere auf dem Kontinent folgen einem ähnlichen Kurs, fordern Frieden, machen die NATO-Expansion nach Osten für den Krieg verantwortlich und beklagen sich über westliche Doppelmoral. Dass die neue Teilung an das Afrika der 1970er und 1980er Jahre erinnert, ist kein Zufall. Viele Staaten werden immer noch von Parteien regiert, die bei der Befreiung von kolonialer oder weißer rassistischer Herrschaft in Moskau Beistand fanden. Obwohl eine vorwiegend junge Bevölkerung die erbitterten Kämpfe nicht erlebt hat, wissen viele der heute in Südafrika, Simbabwe, Angola und Mosambik Regierenden noch, wie sowjetische Waffen, wie Geld und Berater geholfen haben, die Freiheit zu erlangen.

Starke antiwestliche Stimmung

Emmerson Mnangagwa etwa, der Präsident Simbabwes, beschreibt sowohl Russland wie auch China als „verlässliche Säulen harter Jahre“, die „uns zur Seite standen, um errungene Souveränität gegen anhaltende Angriffe unserer Gegner zu verteidigen“. Auch Mosambik enthielt sich bei besagter UN-Resolution, ebenso wie Algerien, das einst als „revolutionärer Staat“ Tuchfühlung zu Moskau hielt. Zuletzt hat Russland das Afrika-Relais reaktiviert, sei es auf internationalen Konferenzen oder bei Afrika-Reisen von Außenminister Sergei Lawrow, der sein Land als Alliierten der Afrikaner gegen „westlichen Imperialismus“ empfiehlt.

In den Dunstkreis solcher Bemühungen geraten zusehends instabile Parzellen Afrikas, wie die Zentralafrikanische Republik und Mali, wo der Groll gegen die einstige Kolonialmacht Frankreich so tief sitzt, dass er beachtliche Früchte trägt. „Besonders in der Sahelzone gibt es eine starke antiwestliche Stimmung. Sie bedeutet ‚anti-USA‘ und ‚anti-Westen‘“, so Pauline Bax, Vizedirektorin des Afrika-Programms bei der International Crisis Group. Mali unter einer Militärregierung hat die Beziehungen zu Moskau erneuert und auf paramilitärische Söldner mit Verbindungen zum Kreml zurückgegriffen, um gegen islamistische Aufständische zu kämpfen, während sich die französischen Truppen zurückziehen.

Nicht zuletzt der Sudan ist näher an Russland herangerückt. Das Land, in dem ein Militärputsch im Vorjahr den fragilen Übergang zu einer demokratischen Herrschaft zum Scheitern brachte, lässt Russland für 25 Jahre einen Hafen an der Ostküste Afrikas nutzen. Einfluss auf dem gesamten Kontinent sichern zudem Investitionen im Bergbau, Finanzkredite und der Verkauf von agrarischem Gerät oder von Nukleartechnologie. Auch das Unternehmen Rosatom – es befasst sich mit dem zivilen Gebrauch der Kernenergie – kann in Afrika expandieren.

Jason Burke ist Kolumnist des Guardian

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