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Südkorea | Der K-Trump


Link [2022-03-17 10:13:13]



Der Neoliberale Yoon Suk-yeol verdankt seinen Wahlsieg jungen Männern, die den Feminismus für ihre prekäre Lage verantwortlich machen

Es waren die jungen Südkoreanerinnen, die zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses verzweifelte Nachrichten auf Twitter posteten. Die Sorge ist groß, dass es unter dem neu gewählten Präsidenten Yoon Suk-yeol, 61, von der konservativen People Power Party für sie zurück an den Herd geht.

Gerade einmal 0,73 Prozentpunkte trennen die Kandidaten der zwei großen Parteien. Die koreanische Gesellschaft wirkt nach der Wahl tief gespalten. Yoon gilt als konservativer Hardliner und Rechtspopulist. Er tritt offen frauenfeindlich auf, hat ein Problem mit Ausländern, besonders Afrikaner:innen, will militärische Stärke gegenüber Nordkorea beweisen und hart gegen China vorgehen. Gleichzeitig macht er dem ehemaligen Diktator Südkoreas, gegen den er während seiner Studienzeit noch protestiert hatte, Komplimente und vertritt streng neoliberale Ansichten. Seine Kritker:innen nennen ihn nicht ohne Grund „K-Trump“. 34 Prozent der Frauen in ihren Zwanzigern wählten Yoon. Bei Männern derselben Altersgruppe waren es 59, bei denen in ihren Dreißigern 53 Prozent.

Mit dem Ex-US-Präsidenten verbindet Yoon, dass er ohne politische Erfahrung ins Amt kommt. Selbst der konservativen Partei ist er erst zwei Wochen nach der Bekanntgabe seiner Kandidatur beigetreten. Bis zur Wahl war er der koreanischen Öffentlichkeit besonders durch seine Rolle als Generalstaatsanwalt bei der Bekämpfung von Korruption bekannt. Nach seinem Jura-Abschluss an der Seoul National University, der prestigeträchtigsten Universität Koreas, hat Yoon fast seine ganze Karriere über als Staatsanwalt Fälle von Korruption verfolgt. Er führte erfolgreiche Prozesse gegen die ehemalige Präsidentin Park Geun-hye, die wegen Bestechung angeklagt war, und brachte den De-facto-Chef von Samsung, Lee Jae-dong, ins Gefängnis. Er hat Anklagen gegen Geheimdienstchefs, Richter, Geschäftsleute und Staatsvertreter geführt.

2019 wurde er von seinem Vorgänger im Präsidentenamt, Moon Jae-in, zum Generalstaatsanwalt berufen. Als er dann allerdings begann, auch Moons Umfeld wegen Korruption zu durchleuchten, zog er damit den Ärger der Demokratischen Partei auf sich. Vor diesem Hintergrund konnte sein Slogan, in Korea wieder Recht und Gerechtigkeit herzustellen, viele Wähler:innen überzeugen.

Profitieren werden von diesem Recht wohl hauptsächlich Männer. Während seines Wahlkampfs hat Yoon Suk-yeol sich intensiv um die Gunst junger männlicher Wähler bemüht. Für einige von ihnen liegt der Grund für ihre schwindenden beruflichen und sozialen Chancen nicht in der wachsenden Ungleichheit, sie lasten sie stattdessen einem öffentlich kaum sichtbaren Feminismus an.

Um diesen Männern wieder zu Gerechtigkeit zu verhelfen, möchte Yoon deshalb das Ministerium für die Gleichstellung der Geschlechter abschaffen. Dieses habe sein „historisches Ziel“ erfüllt und würde nun nicht mehr gebraucht. Sexuelle Diskriminierung in Korea gehöre laut Yoon der Vergangenheit an.

Die Realität sieht ganz anders aus: Südkorea hat die dickste Gläserne Decke weltweit und liegt in Statistiken zu sexueller Diskriminierung und Ungleichheit zwischen den Geschlechtern immer mit auf den vordersten Plätzen. Versteckte Kameras in Frauentoiletten und Umkleiden sind keine Seltenheit. Was Frauenrechtler:innen jedoch besonders Angst macht, das ist die angekündigte Anhebung der Strafmaße für fälschliches Anzeigen sexueller Straftaten, angeblich eine Form von Täterschutz. Die Spaltung der Gesellschaft wird sich mit dieser Rhetorik kaum überbrücken lassen.

Außenpolitisch schlägt Yoon eine vollkommen andere Richtung ein als sein Vorgänger. Moon Jae-in hat im Umgang mit Nordkorea immer den Dialog gesucht, Yoon hingegen will die USA bitten, nukleare Waffen in Südkorea zu stationieren und erst wieder mit dem Norden reden, wenn dieser vollkommen denuklearisiert ist.

Auch gegen China will er harte Kante zeigen und sich unter anderem mit den Quad-Nationen verbinden. Dieses Bündnis aus Indien, Japan, Australien und den USA verfolgt hauptsächlich das Ziel, sich militärisch und sicherheitspolitisch gegen eine chinesische Einflussnahme im Indo-Pazifik zu stellen.

Eine Kehrtwende verfolgt Yoon insbesondere im Austausch mit Japan. Die Beziehungen zum Nachbarland waren wegen des anhaltenden Streits über die japanische Kolonialherrschaft in Korea bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in den vergangenen Jahren immer angespannter geworden. Die Schuld für die Konflikte sieht der neu gewählte Präsident bei seinem Vorgänger Moon Jae-in, nicht in der Weigerung Japans, seine Kolonialverbrechen umfänglich einzugestehen. Es überrascht, dass ausgerechnet ein rechtspopulistischer Politiker über diese Unstimmigkeiten hinwegsehen will. Die koreanische Gesellschaft ist Japan gegenüber nicht so freundschaftlich eingestellt wie ihr nächster Präsident.

Als großer Verehrer Milton Friedmans plant Yoon Suk-yeol die Wirtschaft zu reformieren. Ein Dorn im Auge ist ihm dabei insbesondere die von Moon Jae-in verordnete maximale Arbeitszeit von 52 Stunden pro Woche. Yoon will diese auf 120 Stunden anheben und gleichzeitig den Mindestlohn abschaffen. Verpflichtend soll die 120-Stunden-Woche nicht eingeführt werden, es sei eher ein Angebot an Arbeitnehmer:innen. Die jedoch fürchten sich vor zunehmender Ausbeutung.

Die Hoffnung derjenigen Hälfte der Koreaner:innen, die Yoon nicht gewählt haben, ruht nun auf dem Parlament. Noch hält hier die Demokratische Partei die Mehrheit und könnte Yoon Suk-yeols Vorhaben zumindest ausbremsen. Die koreanische Präsidentschaft beschränkt sich auf eine Amtszeit, ein zweites Mal darf sich Yoon nicht zur Wahl stellen.

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