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Porträt | Marie-Agnes Strack-Zimmermann: Die Aufrüsterin


Link [2022-06-17 22:31:23]



Marie-Agnes Strack-Zimmermann war schon als Kommunalpolitikerin auf Krawall gebürstet. Heute greift die FDP-Politikerin Kanzler Olaf Scholz für seinen zögerlichen Kurs in der Ukraine-Krise an – und will Putin in Den Haag vor Gericht sehen

Ihre Kriegsziele teilte Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) Anfang Mai via Spiegel mit: „Das Ziel ist die Wiederherstellung der ganzen Ukraine. Das Ziel ist, Wladimir Putin in Den Haag vor Gericht zu stellen.“ Auch im Interview für dieses Porträt sagt sie, mit Putin dürfe es „keinen Kompromiss geben“. Über Wochen hat sie dem Bundeskanzler fast täglich Wankelmut vorgeworfen. Ende März zitierte sie Olaf Scholz gar vor den Verteidigungsausschuss. Ein Monat später riss ihr der Geduldsfaden: Wer seine Führungsrolle „nicht annehmen“ wolle, sitze „möglicherweise im falschen Moment am falschen Platz“, polterte sie im ZDF. Zweifelsfrei eine Aufforderung zum Rücktritt, die vom Sender prompt getwittert wurde. StrackZi, so ihr Spitzname, schickte eilig eine Korrektur hinterher: Das ZDF habe einen falschen „Spin“ in ihre Aussagen gedrechselt.

Wer ist die Frau, die an der Schwelle zwischen Krieg und Frieden ihrem Kanzler, der laviert, weil er den Kanal nach Moskau offen halten will, deswegen den Rücktritt nahelegt? Wer ist die Politikerin, die einen höchst unwahrscheinlichen Putsch gegen Putin zur Bedingung für einen Friedensschluss macht?

Strack-Zimmermann wurde 1958 in eine „tolle Familie hineingeboren“, sagt sie mit Blick auf andere Verhältnisse, die sie später als Sozialpolitikerin in Düsseldorf kennenlernen wird. Sie macht Abitur, studiert Publizistik und arbeitet für den Jugendbuchverlag Tessloff. 1990 tritt sie in die FDP ein. Den Ausschlag gibt der von ihr bewunderte damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher und dessen Ostpolitik: „Seine Präsenz, sein außenpolitischer Instinkt haben mich beeindruckt.“

Strack-Zimmermann wird für klare Ansagen gefürchtet

2004 zieht sie in den Rat der Stadt Düsseldorf ein, greift 2005 nach dem Fraktionsvorsitz. Als 2008 ein CDU-Mann zum Oberbürgermeister gewählt wird, gelingt ihr ein Coup: Nicht die stärkste Fraktion im Rat (damals die CDU) stellt den 1. Bürgermeister als politischen Vertreter des OB. Als Preis für die Koalition fordert sie den Posten für sich. Sie sagt, sie habe damals die „Stadtgesellschaft inhaliert“, ihre „Sorgen, Nöte und Erwartungen“ kennengelernt und kräftig gefeiert. Sechs Jahre später wählen die Düsseldorfer den SPD-Mann Thomas Geisel zum OB. Strack-Zimmermann fällt zurück auf den Posten der Fraktionsvorsitzenden und toleriert eine rot-grüne Koalition im Rat.

Ein langjähriger Weggefährte sagt, für ihre „klaren Ansagen“ sei sie damals schon gefürchtet gewesen. Erlebe er sie heute im TV, sei das „gar nicht anders als früher“. Sie sei „absolut schmerzfrei“, ihre Argumentation liege „manchmal auch etwas darüber“. Das mache für manche die Zusammenarbeit mit ihr schwierig. Im Fokus ihrer Kritik damals: OB Geisel. „Sie hat ihn für alles Mögliche angegriffen“, erinnert sich der Wegbegleiter – und sieht Parallelen zu StrackZis heutigen Attacken auf den Bundeskanzler. Als sie Mitte April mit Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD) nach Lemberg fährt, um sich mit ukrainischen Parlamentskollegen zu treffen, wertet Scholz die Gruppe als „Jungs und Mädels“ ab. „Kriegstourismus“, raunt es aus dem Kanzleramt. „Mit mir geht das nicht nach Hause“, ist StrackZis Antwort darauf.

2013 wird sie zur stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes-FDP gewählt. 2019 muss sie auf Druck von Christian Lindner den Platz räumen. Zwei Jahre später wird sie Vorsitzende des Verteidigungsausschusses. Noch so eine Enttäuschung: In den Koalitionsverhandlungen war die Sozialliberale als Verteidigungsministerin gehandelt worden. Als Putin die beiden Vertreter der Separatistengebiete in Moskau empfängt, um diese als Staaten anzuerkennen, erklärt sie einem Reporter, dies sei „Putins Kriegserklärung“. 30 Sekunden später sei das über den Ticker gegangen. Den Vorstoß der Grünen, im 100-Milliarden-Euro-Paket für die Bundeswehr auch Entwicklungshilfe, Diplomatie und humanitäre Hilfe zu verankern, blockte die FDP-Frau ab: Da gebe es „keine Interpretationsspielräume“.

Nur wenig erinnert an ihr Vorbild Genscher

Vor wenigen Tagen forderte sie in der Bild Bundeskanzler Scholz zur Lieferung von Marder-Panzern an die Ukraine auf. Die Redaktion jubelte über die neue Attacke und verballhornte ihren Namen zu „Stark-Hammermann“. StrackZi weiß, wie Medien zuspitzen – und bedient die Meute. Anschließend rudert sie zurück, ohne sich wirklich zu korrigieren. Tatsächlich folgt ihre Kritik Mustern, tatsächlich laviert sie. Eigentlich ist die Vorsitzende eines Bundestagsausschusses überschätzt. Aber niemand schreibt es auf, weil Strack-Zimmermann bedient, was die Mehrheit der Medienmacher wollen: Putin besiegen.

Ihre Dauerpräsenz auf allen Kanälen ist das einzige, was an ihr Vorbild Genscher erinnert. Für den war eine hochgerüstete Armee kein Ziel, militärisches Gleichgewicht war Voraussetzung für den Aufbau tragfähiger Beziehungen zum Warschauer Pakt. Er wusste: Die Sowjetunion kann man nicht besiegen, nur durch Verhandlungen ließe sich die Spaltung Europas überwinden. Ginge es dagegen nach Strack-Zimmermann, 64, bekäme die Bundeswehr ein „Feindbild“. Darauf angesprochen, will sie es wieder einmal anders gemeint haben: „Wenn man eine Armee neu aufstellen will, muss man sich der internationalen Bedrohungslage klar werden.“ Sie versteht das als Ergänzung, nicht als Korrektur.

Nachdem der Bundestag das Aufrüstungspaket für die Bundeswehr beschlossen, Olaf Scholz öffentlich erklärt hat, er werde ein ganzes Flugabwehrsystem in die Ukraine liefern und deutsche Panzer nach Osten unterwegs sind, scheint sie verbal abzurüsten. Anfang Mai hatte sie noch im Ton einer Befehlsinhaberin gesagt: „Ich werde im Namen dieser Frauen in der Ukraine, die so viel Leid erleben, die Panzer nicht bremsen, sondern sie weiterfahren lassen, damit diese Schlächtereien ein Ende haben.“ Jetzt sagt sie nur noch: „Putin darf diesen Krieg nicht gewinnen.“

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