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Oper | Hoffnungslos finster


Link [2022-05-21 23:13:39]



Die Deutsche Oper Berlin entdeckt Franz Schrekers „Der Schatzgräber“ von 1920 wieder – und steckt ihn ins Mausoleum

Ganz am Ende schwillt im riesigen Orchester ein infernalischer Klang zum dreifachen Forte und sackt jäh in sich zusammen. Es bleibt das Grauen. Einfach ausgedrückt handelt die Oper Der Schatzgräber von Franz Schreker von einer Frau, die daran stirbt, dass sich ihre Träume nicht verwirklichen lassen. Bloß, was für eine Frau! Els verführt Männer dazu, den Schmuck der Königin zu stehlen, und lässt sie danach ermorden. Der Minnesänger Elis soll die Juwelen wiederbeschaffen, denn seine Laute besitzt Zauberkraft. Er ist der Schatzsucher. Doch dieser Elis verliebt sich in Els. „Das Verhältnis des Mannes zur Frau und alles, was damit zusammenhängt – eine Tragödie. Auch in den glücklichsten Fällen“, fand Schreker. Also nimmt er seiner Märchenoper das Happy End, macht sie zum Anti-Märchen. Diese Oper entzaubert sich im Grunde selbst. Ebendas macht sie einzigartig und schwierig zugleich.

Der Schmuck bedeutet hier nicht Reichtum und Macht, sondern Glück, Schönheit und Kunst. Er ist das zentrale Symbol des von der Tiefenpsychologie inspirierten Werks über die großen Illusionen des Lebens, geschrieben in den letzten tristen Jahren des Ersten Weltkriegs und uraufgeführt 1920. Ein hoffnungslos finsteres Stück, das dennoch in den Zwanzigerjahren zu den meistgespielten Opern überhaupt zählte. Wie erklärt sich der Erfolg? Der Österreicher Franz Schreker, Sohn eines jüdischen Hoffotografen und einer katholischen Adligen, komponierte süffige, ungemein klangmalerische spätromantische Musik, durchsetzt von Balladen und Liedern, ohne Scheu vor sentimentalen, ja schwülstigen Passagen. Auch in Berlin gefiel das heute selten gegebene Werk dem Publikum ungemein – es bedient die schönsten Opernklischees.

Die Oper wäre nicht weiter der Rede wert ohne den dritten von vier Akten, eine vierzig Minuten lange Liebesszene mit langen Orchesterpassagen. Flirrende Ekstase. Tristan und Isolde lassen auch musikalisch grüßen. „Der dritte Aufzug gleicht einer utopischen Trauminsel“, sagt Regisseur Christof Loy. Er steigert die Szene zur sexuellen Raserei einer ganzen Hofgesellschaft, aber da ist nur Orgie statt orientalischer Rausch, wie es die Partitur fordert.

Beide Stimmen schwächeln

Leider lässt die Inszenierung das Anti-Märchen niemals Märchen sein. Sie sperrt es von Anfang bis Ende in eine Art Mausoleum aus schwarzem Marmor (Bühne: Johannes Leiacker). Doch wenn der Zauber gar nicht erst zugelassen wird, kann er auch nicht gebrochen werden.

Die beiden Hauptdarsteller lassen zu wünschen übrig. Els (Elisabet Strid) ist nicht die Femme fatale, die das Stück verlangt, sondern ein überaus biederes Wesen mit in der Höhe schwächelnder Stimme. Noch mehr quält sich Elis (Daniel Johansson) mit hohen Tönen. Zuweilen schreien beide ermüdend gegen das Orchester an. Nur der liebesbedürftige, doch einsam bleibende Hofnarr (Michael Laurenz) sticht hervor. Er ist der Spielmacher der Handlung, er hat das erste und letzte Wort.

Der Regisseur verlegt das Geschehen aus der Sphäre von Ritter, Junker, Vogt in die Gegenwart, in eine eiskalte Gesellschaft. Der König (Tuomas Pursio) spielt mit ihr, lockt mit Privilegien und droht mit dem Henker. „Hoppla, ein Galgen, es riecht nach Kultur“, singt der Narr. Da ist tatsächlich noch Witz, an dem es dieser Inszenierung so schmerzlich gebricht.

Info

Der Schatzgräber Franz Schreker. Regie: Christof Loy. Deutsche Oper Berlin

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