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Gesundheitssystem | Notaufnahme ohne Corona-Bonus: Das sagt eine Pflegerin


Link [2022-04-08 09:13:55]



Karl Lauterbachs Ministerium erklärt auf Anfrage, warum eine der hektischsten Krankenhaus-Stationen bei der Corona-Prämie leer auszugehen droht. Doch eine Beschäftigte kennt die echten Hintergründe

Ich erreiche die Krankenpflegerin Judith Bayer (Name geändert) in der Quarantäne. Sie schnieft und hustet am Telefon, hat sich bei einem Patienten in der Notaufnahme in Berlin, wo sie arbeitet, mit Corona angesteckt. Der Grund für unser Telefonat: Die sogenannte Covid-Prämie 2022 des Bundesgesundheitsministeriums soll, im Gegensatz zur Prämie 2021, nicht an Pflegekräfte der Notaufnahme ausgezahlt werden. Judith Bayer ist fassungslos.

Die Nachricht kommt zu einem Zeitpunkt, zu dem Notaufnahmen erneut stark überlastet sind und viele Kollegen Bayers, genau wie sie, mit Corona-Erkrankungen ausfallen. Die sowieso schon dünne Personaldecke wird also noch mal dünner, während gleichzeitig wieder mehr Patienten mit Corona-Infektionen ins Krankenhaus kommen.

Bayer berichtet von ihrem Abeitsalltag während Corona: „Ich habe oft geheult, weil ich mit Corona-Patienten allein war, gleichzeitig entscheiden musste, wer am schlimmsten dran ist, keine Kollegen an meiner Seite hatte, weil wir unterbesetzt waren.“

Ich frage beim Gesundheitsministerium nach, ob das wirklich wahr sein kann. Minister Karl Lauterbachs Pressestelle erklärt: „Mittel zur Auszahlung eines Pflegebonus bekommen Krankenhäuser, die im Jahr 2021 besonders viele mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierte Patientinnen und Patienten zu behandeln hatten, die beatmet werden mussten.“ Und weiter: „Diese geben den Bonus an Pflegefachkräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung auf bettenführenden Stationen und Intensivpflegefachkräfte weiter, die im Jahr 2021 für mindestens 185 Tage in dem Krankenhaus beschäftigt waren.“ Das heißt also: Den Bonus bekommen nur überlastete Intensivstationen. Notaufnahmen und auch andere Stationen, die in den vergangenen Jahren immer wieder Beschäftigte an die Intensivstationen ausgeliehen haben, gehen wohl leer aus.

Es ist nicht das erste Mal, dass es gerade die Notaufnahmen sind, die vor so einer Situation stehen, berichtet Judith Bayer: „Wir führen viele Behandlungen aus, mit denen die Krankenhäuser kein Geld verdienen, die sie nicht über die Fallpauschalen abrechnen können. Also sind wir auch nicht so wichtig beim Aufstocken.“

Der nicht für alle ausgezahlte Corona-Bonus ist aber nur die höchste Spitze des Eisbergs einer komplett unversorgten Pflege, die seit Jahren immer wieder darauf aufmerksam macht, dass sie eigentlich nicht mehr arbeitsfähig ist – nicht erst seit Corona. Bayer erzählt, dass sie im vergangenen Jahr 15 Kollegen verloren hat: „Wer jetzt noch weitermacht, ist eigentlich selber schuld, oder?“, fragt sie mich.

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