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Gastbeitrag | Übergewinnsteuer – jetzt erst recht!


Link [2022-06-11 14:42:41]



Mineralölkonzerne fahren durch den Krieg in der Ukraine unverschämt hohe Gewinne ein. Den Tankrabatt stecken sie sich selbst in die Tasche, statt ihn weiterzugeben. Da hilft nur eine Übergewinnsteuer

Der Tankrabatt ist quasi verpufft. Die Preise sind fast so hoch wie vor dem Rabatt. Die Marge der Mineralölkonzerne ist hingegen enorm gestiegen. Sie liegt bei Benzin mit fast 60 Cent pro Liter deutlich über der Marge der letzten 6 Monate – damals betrug die Marge rund 40 bis 50 Cent. Der Tankrabatt macht das Problem am Energiemarkt deutlich: Die Mineralölkonzerne haben zu viel Macht. Nur deshalb konnten sie die Krise nutzen, um die Marge auf dem Rücken der Verbraucher aufzublähen. Eigentlich gab es Grund zur Hoffnung, dass eine Steuersenkung auch bei Sprit wirken könnte. Immerhin wurde die Senkung der Mehrwertsteuer im zweiten Halbjahr 2020 zum Großteil weitergegeben. Heute ist die Lage aber eine andere. Der Ukraine-Krieg hat den Ölpreis auf Achterbahnfahrt geschickt. Die Preisschwankungen und die Unsicherheit haben die Ölmultis genutzt.

Umso wichtiger ist jetzt der Vorschlag für eine Übergewinnsteuer. Sie soll jene Gewinne besteuern, die über dem Vorjahr liegen. Für die genaue Ausgestaltung liegen unterschiedliche Modelle auf dem Tisch. So schlug DIW-Präsident Marcel Fratzscher bereits im März eine Steuer von 50 Prozent auf die Marge zwischen Rohöl- und Großhandelspreis vor. Mittlerweile fordert er aber eine andere Ausgestaltung nach Vorbild Italiens, wo der „Überumsatz“ besteuert wird. Das ist der Umsatzüberschuss, der den Umsatzüberschuss eines Vergleichszeitraums überschreitet. Als Grenze hat Italien ein Plus dieses Umsatzüberschusses von 5 Millionen Euro und 10 Prozent genommen. Dadurch werden kleine Unternehmen ausgenommen.

Anders funktioniert es in Großbritannien. Dort wird sich am herkömmlichen Unternehmensgewinn der Öl- und Gasindustrie orientiert. Auch wenn beide Länder die Übergewinne mit 25 Prozent besteuern, hat die Ausgestaltung in Großbritannien mehrere eklatante Nachteile. Durch die Orientierung am Gewinn entsteht ein Gestaltungsspielraum für die Konzerne, beispielsweise durch Abschreibungen. Außerdem wird die britische Steuer wohl erst 2024 fällig, Italiens hingegen schon im Juni 2022. Besonders ist aber, dass in Italien auch grüne Stromerzeugung der Übergewinnsteuer unterliegt, die genauso von den hohen Preisen profitiert. In Großbritannien wird nur die fossile Industrie besteuert.

Die Preissetzungsmacht bleibt bei den Unternehmen

Alle Varianten haben aber ein Problem: Sie schränken nicht die Preissetzungsmacht der Unternehmen ein. Das bedeutet, dass die Unternehmen einfach die Preise weiter erhöhen können und somit die ökonomische Traglast auf die Konsumenten überwälzen. Durch die dadurch gestiegenen Preise würde sich die Nachfrage sicherlich leicht reduzieren, wodurch die absoluten Gewinne der Energieindustrie auch sinken dürften – aber nicht in dem Maße, wie es das Ziel wäre.

Mondpreise an den Tankstellen können aber kein ernsthaftes Ziel von Progressiven sein (genauso wenig wie Dumpingpreise). Daher muss die Grundlage für weitere Reformen eine Einschränkung der Macht der Energiekonzerne sein. Im Kern müssen die Unternehmen ihre Marge und die Gewinne reduzieren. Das könnte durch eine ordentliche Marktaufsicht, durch einen Preisdeckel oder durch andere Markteingriffe geschehen. So plädiert ironischerweise der parlamentarische Staatssekretär im Verkehrsministerium Michael Theurer von der FDP für eine „Zerschlagung der Mineralölkonzerne“ als Ultima Ratio. Diese Maßnahmen hätten auch die höheren Preise mehr oder weniger verhindern können. Dann hätte es vielleicht auch weder einen Tankrabatt noch die Übergewinnsteuer gebraucht.

In der jetzigen Lage braucht es zu den Markteingriffen aber dennoch eine Übergewinnsteuer, da nur so die ungerechtfertigten Übergewinne wieder abgeschöpft werden können. Diese nehmen ja nicht etwa ab, sondern sogar zu. Darunter leidet die ganze Bevölkerung genauso wie die Wirtschaft. Sie schaden auf sozialer Ebene, wenn Leute ihren Konsum drastisch einschränken müssen und treffen damit auch die Wirtschaft, weil die reale Nachfrage einbricht. Die Gelder, die die Energieindustrie einnimmt, kann keine andere Industrie mehr einnehmen. So verdient sich die Energieindustrie eine goldene Nase auf Kosten der Bevölkerung und der restlichen Wirtschaft, ohne dafür etwas Besonderes getan zu haben. Sie haben noch nicht einmal sonderlich investiert oder waren besonders innovativ. Sie leisten das gleiche wie vorher. Dass sie sich nun die Taschen füllen, ist auch mittelfristig schädlich für die Wirtschaft. Wenn die Profiteure die Krisengewinne in anderen Unternehmenssparten nutzen, dann entsteht dort eine enorme Wettbewerbsverzerrung zu ihren Gunsten.

Die FDP blockiert mit Scheinargumenten

Daher muss Christian Lindner seine Blockade bei der Übergewinnsteuer endlich aufgeben. Er wurde bereits von dem technokratischen Mario Draghi in Italien und dem rechtskonservativen Boris Johnson in Großbritannien überholt. Auch das wirtschaftsliberale Vorzeigeland USA prüft mittlerweile solch eine Übergewinnsteuer. In Deutschland wird die FDP sogar von Politikern aus CDU und CSU wie Jens Spahn oder Markus Söder überholt. Nur die AfD fährt den gleichen wirtschaftsliberalen Kurs der FDP. Beide bringen die gleichen Mythen hervor wie zum Beispiel, dass Unternehmen nicht noch mehr belastet werden sollen. Dabei ignorieren sie, dass eben diese Unternehmen hohe Profite einfahren. Vorgebracht wird auch immer wieder die Schädigung des Investitionsklimas, was genauso unhaltbar ist. Die jetzigen Übergewinner haben nicht mit der Erwartung auf Übergewinne investiert. Genauso wenig wird jetzt aufgrund einer Erwartung dauerhafter Übergewinne investiert, da es ein Ausnahmezustand ist.

Lindner kennt bei den Scheinargumenten keine Grenzen. So sagte er neulich, dass eine Übergewinnsteuer die berechenbare marktwirtschaftliche Ordnung Deutschlands infrage stelle. Dann würden ja etliche europäische Länder wie auch die CDU/CSU die marktwirtschaftliche Ordnung infrage stellen. Das Gegenteil ist richtig. Eine Übergewinnsteuer stellt die marktwirtschaftliche Ordnung wieder her. Denn in einer funktionierenden Marktwirtschaft kann es keine Übergewinne geben. In einer funktionierenden Demokratie dürfte es sie auch nicht geben. Es sind laut einer Umfrage nämlich über 70 Prozent der Bevölkerung für eine Übergewinnsteuer. Daher und aufgrund der immer weiter steigenden Übergewinne sollte Christian Lindner jetzt erst recht den Weg für eine Übergewinnsteuer freimachen!

Lukas Scholle ist Ökonom, Autor und betreibt den Podcast Wirtschaftsfragen.

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