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Adel | Hohenzollern: Kein Staat, kein Geld


Link [2022-05-25 08:39:04]



Der Staat will nicht mehr mit den Hohenzollern über die Eigentumsfrage verhandeln. Gut so. Aber warum tat er das überhaupt?

Politik mag eine Kunst des Kompromisses sein, doch so mancher Kompromiss erweist sich im Rückblick als faul und seine Spätfolgen als äußerst mühselig zu bearbeiten. Zu den faulsten Kompromissen der deutschen Geschichte gehört die Nachsicht, mit der die deutsche Sozialdemokratie nach der Revolution vom November 1918 – zu der sie ohnehin von ihrer Basis zum Jagen getragen werden musste – mit den Eliten des Kaiserreichs verfahren ist. Bekannt ist, dass die in Amt und Würden verbliebenen Funktionäre in Verwaltung, Justiz und Militär eine geringe Loyalität zur Republik aufwiesen. Doch auch der eigentlich entmachtete Adel blieb gesellschaftlich einflussreich. Zwar wurden seine Privilegien abgeschafft, doch die einstigen Titel wurden Namensbestandteile, und anders als in Österreich durfte auch das „von“ beibehalten werden. Während die Nachfahren der französischen Könige jahrzehntelang des Landes verwiesen wurden, konnte der ehemalige Kronprinz Wilhelm von Preußen bereits 1923 mit viel Tamtam aus dem niederländischen Exil zurückkehren.

Als besonders schwach erwies sich die Republik in der Klärung der Eigentumsfrage. Durch die Einheit von Souveränität und Person des Herrschers war die Frage, was privater und was staatlicher Besitz war, äußerst kompliziert zu lösen. Zwar stimmte 1926 beim Volksentscheid zur Fürstenenteignung eine Mehrheit für eine entschädigungslose Enteignung nicht nur des Haus- und Kronvermögens, sondern auch des Privatvermögens der Fürsten, das nötige Quorum wurde allerdings nicht erreicht. Eine reichsweite Lösung kam nicht zustande, also schloss der Staat Preußen mit dem Haus Hohenzollern, der Familie von Preußen, 1926 einen Vertrag, der die konkrete Eigentumsfrage insbesondere bei vielen Kunstobjekten bewusst offen ließ.

Der Wind hat sich gedreht

Die Eigentumsfrage verfolgt den deutschen Staat deshalb bis heute. Dabei ist die Gemengelage nur komplizierter geworden: Was von 1945 bis 1949 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) enteignet wurde, kann auf Grundlage des 1994 verabschiedeten Entschädigungs- und Lastenausgleichsgesetzes (EALG) zurückgegeben oder mit Zahlungen abgegolten werden. Es sei denn, die damals enteignete Person hat „dem nationalsozialistischen System erheblich Vorschub geleistet“. Weil genau das auf den ehemaligen Kronprinzen zutreffe, lehnte die Regierung in Potsdam 2015 einen Antrag der Familie auf Ausgleichszahlungen ab, woraufhin der Chef des Hauses, Georg Friedrich Prinz von Preußen, klagte. Doch weil es eben seit 1926 ungeklärte Eigentumsfragen gibt, wurde das Verfahren ausgesetzt und Verhandlungen geführt, um eine Gesamtlösung zu erzielen. Diese Gespräche, an denen auf staatlicher Seite der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg beteiligt waren, wurden 2019 bekannt und angesichts der daraufhin entbrannten „Hohenzollerndebatte“ auf Eis gelegt.

War es den Nachfahren von Wilhelm II. lange Zeit gelungen, als Privatleute Gegenstand harmloser Klatschpresse-Artikel zu sein, wurden nun die Verstrickungen der Familie bis in den Zweiten Weltkrieg einem breiten Publikum in Erinnerung gerufen. Dass von Preußen zahllose Journalisten und Wissenschaftler mit Klagen überzog, weil er meinte, die Sachverhalte würden falsch dargestellt, war dem Ansehen der Familie sicherlich nicht zuträglich.

Inzwischen hat sich der Wind gedreht. Am 28. April konferierten die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien Claudia Roth (Grüne), die Berliner Senatoren für Kultur und Europa Klaus Lederer (Linke) und für Finanzen Daniel Wesener (Grüne) sowie die brandenburgische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur Manja Schüle und ihre Kollegin aus dem Finanzressort Katrin Lange und stimmten das weitere Vorgehen ab. Alle außer Lange sprachen sich gegen eine Wiederaufnahme der Gespräche aus, weshalb das Verfahren um die Ausgleichszahlungen für Enteignungen am Verwaltungsgericht Potsdam nun wieder aufgenommen wurde.

Hohenzollern und der Charakter des Eigentums

Da half auch nicht, dass von Preußen Ende vergangenen Jahres erneute Gesprächsbereitschaft signalisiert hatte und davon sprach, „zu erheblichen Zugeständnissen“ bereit zu sein. Der Berliner Senat vertritt inzwischen die Position, Vergleichsverhandlungen könnten nur über die Aspekte geführt werden, die nicht unter das EALG fallen. Eine ähnliche Position vertritt die Kulturstaatsministerin. Zwar schrieb Roth Anfang Februar in einem Brief an Lange, der dem Freitag vorliegt, sie sei der Meinung, „dass eine Gesamteinigung aus politischen wie pragmatischen Gründen noch immer oder – angesichts der Entwicklungen vor meinem Amtsantritt – umso mehr ein verfolgenswertes Ziel ist“. Auf Anfrage teilte ihr Pressesprecher jedoch mit, „dass es von ihr kein Gesprächs- oder Verhandlungsangebot in Richtung der Hohenzollern in Bezug auf die Ansprüche nach dem Ausgleichsleistungsgesetz geben wird“. Lediglich Brandenburgs Finanzministerin Lange wollte weiter verhandeln. Dort heißt es aus der Pressestelle, sie sei nach wie vor der Auffassung, dass eine Gesamtlösung nur über einen Vergleich zu erzielen sei, „da der überwiegende Teil der umstrittenen Kunstgegenstände und Mobilien eben nicht unter das EALG“ falle. Zuletzt war also nicht nur umstritten, ob man überhaupt noch miteinander sprechen wolle, sondern auch worüber.

Was den Ausgang des Prozesses vor dem Verwaltungsgericht Potsdam angeht, scheinen sich die staatlichen Stellen ihrer Sache sicher zu sein, auch wenn niemand das laufende Verfahren kommentieren möchte. Seinem Ausgang kommt dabei so grundlegende Bedeutung zu, dass es nicht bei der ersten Instanz bleiben dürfte. Dabei wird es erneut um die Frage gehen, ob der ehemalige Kronprinz Wilhelm von Preußen dem Nationalsozialismus „erheblich Vorschub geleistet“ hat. Die meisten Historiker teilen inzwischen den Befund, dass sich der Kronprinz und andere Familienmitglieder an Aktivitäten beteiligt haben sollen, die sich gegen die Republik richteten, und dabei auch immer wieder die Nähe zu den Nazis gesucht haben sollen. Der Kronprinz rief 1932 zur Wahl Hitlers auf und nahm am sogenannten Tag von Potsdam am 21. März 1933 teil, einem der wichtigsten Momente der Konsolidierung der Macht Hitlers.

Bei all den Debatten blieb die grundlegende Frage jedoch stets außen vor: Warum verhandelte der Staat überhaupt mit der Familie von Preußen? War das nicht schon eine prinzipielle Legitimierung ihrer Ansprüche? Das Problem besteht doch genau darin, dass die Republik stets zu nachsichtig gegenüber den ehemaligen Fürsten aufgetreten ist. Immer wieder betonen die von Preußens, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur Bürger unter Bürgern zu sein und als solche ihre bürgerlichen Eigentumsrechte durchsetzen zu wollen. Unfreiwillig verweisen sie dabei auf den absolut unbürgerlichen Charakter dieses Eigentums. Der Feudalismus war ein System personaler Herrschaft, in dem nicht Verträge, sondern die absolute Macht des Souveräns das Recht setzte. Es geht also um Eigentum, das auf der Grundlage undemokratischer Herrschaft angehäuft wurde.

Etwas Demut wäre angebracht

Die Nachfahren der letzten deutschen Feudalherrscher können froh sein, dass ihre Vorfahren nicht flächendeckend enteignet wurden. Statt Besitzansprüchen stünde ihnen Demut gut zu Gesicht. Andererseits hat eine Republik, deren Selbsthass so weit geht, dass kaum eine Stadt ohne Hohenzollernplatz auskommt und die im Herzen der Hauptstadt das preußische Stadtschloss wiedererrichtet, vielleicht auch nichts anderes verdient. Dass die Verhandlungen nicht weitergeführt werden, ist zu begrüßen, ist jedoch nur der kritischen Arbeit von Journalisten und Wissenschaftlern zu verdanken – wieder einmal hat sich die Republik zum Jagen tragen lassen.

Doch warum nicht endlich die Tabula rasa nachholen, die 1918 verhindert wurde? Streichung aller auf den Adel verweisenden Namensbestandteile, Verbot aller Adelsvereine, Umbenennung aller nach Adligen benannten Straßen und Plätze, so diese sich nicht positiv durch humanistische Taten hervorgetan haben (ein bisschen Kulturförderung tut es da nicht), Musealisierung des Reiterstandbilds von Friedrichs II., das Unter den Linden in Berlin steht, und natürlich vor allem: Enteignung aller Besitztümer, deren Bestand auf die Feudalherrschaft zurückzuführen ist. Das wäre angemessen.

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